Mobility

Senioren im Rollstuhl sind kein ungewohnter Anblick. Doch auch Kinder und jüngere Erwachsene sind bei einer entsprechenden Einschränkung auf Sitzsysteme angewiesen.

Mit einem Leben im Rollstuhl sind häufig große Anstrengungen bei Mobilität und Teilhabe verbunden. Selbst ohne eine erzwungene Fixierung können gewöhnliche Rollstühle einen Patienten in seiner Bewegungsfreiheit stark einschränken. Bei Menschen mit einer infantilen Zerebralparese führt die Einschränkung zu Verspannungen, Druckstellen und Abschürfungen. Denn die Störung des Nervensystems und der Muskulatur führt zu einer willkürlichen Motorik. Die Symptome reichen von kaum merklicher Unbeholfenheit über erhebliche Bewegungsstörungen in einer oder mehreren Gliedmaßen bis hin zur Lähmung. Am häufigsten sind dabei spastische Mischformen und eine Muskelhypertonie, also eine unabsichtliche Steigerung der Muskelspannung. Deshalb muss den Patienten geholfen werden, wenn sie sich in eine orthopädisch ungünstige Position gebracht haben.

Eine infantile Zerebralparese kann durch viele verschiedene Arten von Fehlbildungen des Gehirns entstehen. Die Symptome begleiten den Patienten während seines gesamten Lebens. Allerdings gibt es zahlreiche Methoden und Hilfsmittel, um die Beweglichkeit der betroffenen Kinder zu fördern. Etwa Rollstuhlsysteme, die sich individuell an den Grad der Behinderung anpassen und speziell für Patienten mit unwillkürlichen Streckbewegungen entwickelt werden.

 

Dynamisch sitzen

Michael Markwald widmet sich mit seinem Unternehmen interco GmbH der Konstruktion und Produktion von Sitzlösungen, die sich speziell den Bedürfnissen der Patienten anpassen. „Die Idee für diese Systeme entstand aus der praktischen Erfahrung, dass starre Rollstühle nicht alle Patienten optimal versorgen“, berichtet der Firmengründer. „Insbesondere Kinder und Erwachsene mit unwillkürlichen Streckbewegungen haben häufig Probleme. Denn der Drang, eine Bewegung auszuführen, wird von einer Fixierung unterdrückt.“

Um eine passende Versorgung des Patienten zu ermöglichen, hat Michael Markwald deshalb das dynamische Sitzen erfunden. Diese Form der Sitzversorgung verbindet erstmals eine orthopädisch optimale Sitzposition mit einer geführten Bewegungsfreiheit. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Körperhaltungen hat zudem positive Auswirkungen auf den gesamten Körper des Patienten, etwa Atmung, Kreislauf oder die Beweglichkeit der Körpergelenke.

Seit der Gründung ist die interco GmbH stark gewachsen. Aus dem Familienunternehmen ist ein Mittelständler geworden, der weltweit gefragt ist. Mehr als 50 Prozent der Produkte werden an internationale Kunden geliefert. „Vor allem in Skandinavien sind wir sehr gefragt“,sagt Janina Markwald. Die Tochter des Gründers ist seit Anfang 2014 im Unternehmen für Vertrieb, Export und Marketing zuständig.

 

Internationales Wachstum

Neben dem Wachstum liegt der Fokus des Familienunternehmens auf der Qualität. Sie ist die Basis für die Entwicklung der interco GmbH in den vergangenen Jahrzehnten. „Vor allem die Sicherheit unserer Sitzsysteme liegt uns sehr am Herzen“, betont Janina Markwald. „Deshalb sind wir bereits seit mehr als 20 Jahren zertifiziert. Wir wollen mit geprüften und standardisierten Prozessen garantieren, dass unsere Produkte sicher sind und wir gleichbleibende Qualität liefern können.“

Für Medizinprodukte ohne Zertifikat ist es in der Regel schwerer, auf internationalen Märkten zugelassen zu werden. Verzögerungen beim Markteintritt und Umsatzverluste sind die Folge. Speziell der Nachweis eines Qualitätsmanagementsystems gilt in vielen Ländern als Pflicht.

Die Anforderungen an ein Managementsystem für Medizinprodukte legt die Norm DIN EN ISO 13485 fest, etwa für Design, Wirksamkeit, Produktion oder Dokumentation. Das Zertifizierungsverfahren der interco GmbH startete mit einer intensiven Vorbereitung. „Wir nehmen die Prüfungen unheimlich ernst, denn sie helfen uns dabei, uns weiterzuentwickeln“, sagt Janina Markwald. „Deshalb wollen wir optimal vorbereitet sein.“ Zumal das Audit gleichzeitig eine Generalprobe war. Es galt herauszufinden, ob interco die Herausforderungen der Europäischen Medizinprodukteverordnung MDR (Medical Device Regulation) bereits heute erfüllt. Die neuen Regeln sind ab Mai 2020 europaweit verbindlich.

Nach sämtlichen anspruchsvollen Prüfungen stand fest: Das Unternehmen erfüllt alle Anforderung an ein Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 13485 und DIN EN ISO 9001. Zudem wird ein großer Teil der neuen MDR-Vorgaben bereits umgesetzt. Auditor Thorsten Karer von TÜV Hessen bestätigt: „interco hat zahlreiche Aufgaben aus der neuen Medizinprodukteverordnung MDR bereits heute in den betrieblichen Alltag eingebunden, etwa in der Dokumentation oder bei der Kalkulation individueller Risiken.“

 

Konstante Optimierung

Die Sitzsysteme entwickelt das Familienunternehmen kontinuierlich weiter. Gesetzlichen Vorgaben folgend, werden die Systeme Crash-Tests unterzogen. Doch auch interne Audits und die Weiterbildung der Mitarbeiter führen zu innovativen Ideen und Produkten. Dazu zählen verbesserte Sitzsysteme, bei denen die Sitzbreite und -tiefe verändert werden kann, während der Patient im Stuhl sitzt. Bei solchen Entwicklungen zahlt sich aus, dass interco sämtliche Komponenten im eigenen Haus herstellen kann. „Das ist ein Qualitätsmerkmal“, bestätigt Thorsten Karer, „individuelle Wünsche können so schnell und einfach realisiert werden“.

Das Zertifizierungsverfahren unterstützt die Weiterentwicklung ebenfalls, denn es zeigt wo Verbesserungsbedarf besteht. Bei interco wurde so die Lieferantenbewertung optimiert. Das Bewertungssystem wurde leicht verändert, die verbesserten Ergebnisse erleichtern die gesamte Dokumentation. „So können wir sicherstellen, dass wir Fehler nicht wiederholen“, sagt Janina Markwald. Regelmäßige Befragungen von Fachhandel und Endkunden bringen zusätzlichen Input, um Produkte zu verbessern oder Prozesse zu verändern. Damit Patienten mit infantiler Zerebralparese auch weiterhin gut versorgt werden können.