Mobility

Fahren Menschen unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr, werden sie zu einer Gefahr – für sich selbst und andere. Und je häufiger Fahrer mit Verkehrsverstößen auffällig werden, desto größer ist die Gefahr, dass sie Unfälle verursachen. Umso schneller wächst auch das berüchtigte Punktekonto. Die Folge: Gerichte oder Behörden entziehen die Fahrerlaubnis. Der Weg zurück ans Steuer führt in manchen Fällen über die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU).

Viele Verkehrsverstöße bleiben im Dunkeln. Nur eine von 10.000 Geschwindigkeitsüberschreitungen wird entdeckt. Beim Fahren unter Alkoholeinfluss fällt nur jede 300te bis 600te Fahrt auf. Ein Führerscheinentzug folgt daraus auch nur für eine kleine Gruppe der auffällig gewordenen Fahrer. Nach einem Führerscheinentzug stellen die Betroffenen einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und die Führerscheinstelle prüft anschließend, ob der Führerschein sofort wieder erteilt werden kann. In den meisten Fällen, in denen der Führerschein entzogen wurde, wird er nach einer gewissen Zeit ohne weitere Prüfung wieder erteilt. Pro Jahr fordert die Führerscheinstelle nur von einer sehr kleinen Gruppe, eine MPU zu absolvieren. Nur etwa 0,15 Prozent aller Führerscheininhaber benötigen ein positives MPU-Gutachten, bevor die Fahrerlaubnis wieder erteilt werden kann.

Wird eine MPU gefordert, geht die Behörde immer von einem gewohnten und gleichzeitig falschen und gefährlichen Verhalten im Verkehr aus. Die Strafe des Führerscheinentzugs und der Vorsatz, ähnliche Fehler nicht wieder zu machen, reichen in solchen Fällen nicht mehr. Vielmehr geht die Behörde davon aus, dass Verhaltensweisen grundlegend geändert werden müssen, um die sichere Teilnahme am Verkehr zu ermöglichen. Die MPU trägt damit wesentlich zur Sicherheit im Verkehr bei. Denn sie schützt alle Verkehrsteilnehmer vor Fahrern unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder vor Fahrern mit einem gefährlichen Verhalten im Verkehr.

Die MPU gibt die Möglichkeit zu zeigen, dass die Fehler im Verhalten im Verkehr erkannt wurden. So können Betroffene nachweisen, welche Lehren sie aus ihrem Fehlverhalten gezogen haben und dass sie ihre Einstellung grundlegend geändert haben. Während in anderen europäischen Ländern Betroffene erst nach mehreren Jahren die Fahrerlaubnis wiederhalten können, können Verkehrssünder in Deutschland nach einem positiven MPU-Gutachten bereits nach Ablauf von etwa einem Jahr wieder am Verkehr teilnehmen, wenn das Ergebnis positiv ist. Die Antragsteller erhalten also mit der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung die Chance zu zeigen, dass sie künftig verantwortlich am Straßenverkehr teilnehmen werden und von ihnen keine Gefahr für sich oder andere im Verkehr ausgehen wird.

 

Wertvolle Chance

Die umgangssprachliche Bezeichnung der MPU als „Idiotentest“ stammt noch aus den 1950er Jahren. Damals war die MPU vor allem für Menschen vorgesehen, die dreimal die Fahrprüfung nicht bestehen konnten. Anita Müller von TÜV Hessen muss allerdings schmunzeln, wenn sie den Begriff hört: „Mit der ursprünglichen und Bezeichnung hat die heutige MPU wenig zu tun, denn solche Fälle gibt es heute kaum noch. Heute prüfen wir als Psychologen und Ärzte, ob jemand die Probleme erkannt und dauerhaft gelöst hat, die zum Führerscheinverlust geführt haben.“

Wenn Menschen in einer MPU ihre Fahreignung nachweisen müssen, ist zumeist ein Suchtmittelmissbrauch die Ursache. 35 Prozent der Untersuchungen im Jahr 2019 fanden aufgrund von erstmaliger oder wiederholter Alkohol-Auffälligkeit im Straßenverkehr statt. Fahren unter dem Einfluss von Drogen oder Medikamenten waren der Anlasse für weitere 31 Prozent der Tests.

Wird eine MPU von der Führerscheinstelle angeordnet, wählt der Betroffene die Begutachtungsstelle selbst aus. Die Begutachtungsstelle nimmt anschließend Kontakt auf, sobald sie die Führerscheinakte erhalten hat. Darin sind neben der Fragestellung an die Gutachter alle Dokumente enthalten, die für die Untersuchung relevant sind, etwa der Auszug aus dem Verkehrszentralregister, Führungszeugnisse oder der Strafbefehl oder das Gerichtsurteil. Mit dem Studium der Akte erhalten die Verkehrspsychologen und Verkehrsmediziner bereits im Vorfeld erste Informationen über die Betroffenen, um die Ausgangslage einschätzen zu können.

 

Tag der Untersuchung

Die eigentliche MPU findet kurze Zeit nach der Anordnung statt. Alle Untersuchungsbestandteile werden an einem Tag durchgeführt und dauern insgesamt etwa vier Stunden. Alle Befunde der Untersuchung werden dann in einem Gutachten zusammengefasst, dass von den verkehrsmedizinischen und verkehrspsychologischen Gutachtern gemeinsam erstellt wird und dass nur der Betroffene selbst erhält.

Am Tag der Untersuchung melden sich die Betroffenen mit ihrem Personalausweis bei der Begutachtungsstelle an und erhalten zunächst verschiedene Fragebögen. Die ausgefüllten Dokumente zu persönlichen und medizinischen Fragen und weitere Belege zu Therapien oder Abstinenz helfen später den untersuchenden Gutachtern bei der Beurteilung. Ob das Leistungsvermögen eine sichere Verkehrsteilnahme zulässt, wird mit speziellen Tests etwa zum Konzentrationsvermögen oder zur Reaktionsfähigkeit am Computer geprüft. Dabei müssen die Betroffenen lediglich ein Minimum an erforderlicher Leistungsfähigkeit belegen können.

Auf den Leistungstest folgt die verkehrsmedizinische Untersuchung. Dabei wird festgestellt, ob die betroffene Person die notwendigen körperlichen Voraussetzungen zum sicheren Autofahren besitzt und ob es keine Anzeichen für fortbestehenden Alkoholmissbrauch oder fortgesetzten Drogenkonsum gibt. Dazu zählt auch eine Blutabnahme oder eine Urinabgabe. Hier werden dann auch die Belege über eine Drogenabstinenz oder Alkoholabstinenz geprüft.

 

Psychologisches Gespräch als Schwerpunkt

Das zentrale Element der MPU ist in der Regel ein ausführliches Gespräch mit einem Verkehrspsychologen, das umfangreich dokumentiert wird. Das psychologische Gespräch dauert etwa eine Stunde. Dabei geht es um die Auffälligkeiten selbst, die Vorgeschichte und Ursachen der Probleme, die zum Führerscheinentzug geführt haben und darum, ob und welche Veränderungen die Betroffenen umgesetzt haben.

Mit dem Gespräch wird festgestellt, welche Ursachen hinter den Problemen stecken, die zum Führerscheinentzug geführt haben. Gleichzeitig wird geprüft, ob diese Ursachen aus dem Weg geräumt wurden und die Lösungen auf Dauer angelegt sind. Im Mittelpunkt steht besonders die Frage der Rückfallwahrscheinlichkeit in das Problemverhalten von früher. Denn es geht für die Betroffenen nicht nur darum, den Führerschein wiederzubekommen, sondern den Führerschein auf Dauer zu behalten und sich und andere nicht erneut zu gefährden. Die offene und selbstkritische Kooperation der Betroffenen bei der Untersuchung ist dabei die Grundlage, um eine ernsthafte und stabile Verhaltensänderung festzustellen. Denn vorab eingeübte Antworten erkennen die erfahrenen Psychologen schnell.

Wichtig für eine erfolgreich absolvierte MPU ist die gründliche Aufarbeitung der Probleme, die zum Führerscheinentzug geführt haben. „Es ist sinnvoll, dass sich Betroffene am besten gleich nach dem Führerscheinentzug Gedanken machen, was ihr Problem ist und was sie dagegen machen können“, bestätigt Anita Müller. Es gibt viele Ansätze zur Unterstützung, um sich mit den Ursachen des Führerscheinentzugs auseinanderzusetzen – vom Gespräch mit Freunden über Literatur, Informationsseiten im Internet bis zur professionellen und seriösen verkehrspsychologischen Therapie oder gegebenenfalls einer Suchtberatung. Die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Führerscheinentzugs sollte so früh wie möglich erfolgen, damit die Zeit bis zur MPU genutzt werden kann, um entsprechende Verhaltensänderungen umzusetzen, denn die sind die Basis für ein positives Gutachten.  Und wenn die Betroffenen dann ein positives Gutachten bei der Behörde vorlegen, erhalten sie die Fahrerlaubnis wieder und haben vor allem gute Chancen, den Führerschein auch auf Dauer zu behalten und niemanden mehr zu gefährden im Verkehr.