Sustainability

Wenn die Energiewende gelingen soll, muss Deutschland mehr grünen Strom produzieren – und ihn auch im Land verteilen.

Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Denn nur so wird Deutschland seine anspruchsvollen Klimaziele erreichen können. 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bei 46,2 Prozent. In den kommenden Jahren werden wir Wind- und Sonnenenergie also massiv ausbauen müssen.

 

Aus zentral wird dezentral

Mit der Energiewende verändert sich das Energiesystem fundamental: Der Umstieg von fossilen auf regenerative Energiequellen bedeutet auch einen Umstieg von wenigen Kraftwerken, die zentral Strom produzieren, auf viele Anlagen, die dezentral produzieren. Anders ausgedrückt: Viele über das Land verteilte Windräder oder Photovoltaikanlagen ersetzen ein Kraftwerk. Hinzu kommt, dass fossile Kraftwerke sich häufig genau dort befinden, wo es viele große Verbraucher gibt – vor allem in Ballungsgebieten mit viel Industrie, wie sie für viele Gegenden in West- und Süddeutschland typisch sind. Diese Gebiete sind aber meist nicht in der Lage, ihren Bedarf mit lokal produziertem Strom aus erneuerbaren Quellen zu decken. Die Energie muss also von anderswo kommen – vor allem aus dem Norden und Osten Deutschlands, wo es ein großes Potenzial für Windkraft und damit einen Überschuss an Windstrom gibt.

Damit der grüne Strom dorthin fließen kann, wo die VerbraucherInnen ihn benötigen, müssen die Betreiber die Stromnetze massiv ausbauen - und zwar auf allen Spannungsebenen des Stromnetzes. Die höchste Netzebene ist das Übertragungsnetz. Es lässt sich mit Autobahnen vergleichen und transportiert den Strom über große Entfernungen. Auf dieser Netzebene geht es also darum, Strom aus den produktionsstarken in die verbrauchsstarken Regionen zu transportieren. Und das Übertragungsnetz muss in der Lage sein, die schwankende Produktion erneuerbarer Energien – Wind und Sonne wehen bzw. scheinen schließlich nicht immer und überall gleich stark – überregional auszugleichen. Das Übertragungsnetz ermöglicht also, dass stets genug Strom zwischen den verschiedenen Regionen fließen kann.

 

Wir benötigen mehr Strom

Die zweite Netzebene ist das Verteilnetz, das gewissermaßen die Bundes-, Landes- und Ortsstraßen des Stromnetzes bildet: Es sorgt dafür, dass der Strom innerhalb einer Region verteilt wird. Im alten Energiesystem floss der Strom im Verteilnetz vor allem in eine Richtung: von wenigen Erzeugern zu vielen Verbrauchern. Im neuen, regenerativen Energiesystem gibt es zahlreiche Erzeugungsanlagen. Und viele Haushalte verbrauchen nicht nur Strom, sondern erzeugen ihn auch, zum Beispiel mit Photovoltaikanlagen. Die Betreiber müssen ihre Verteilnetze also auf multidirektionale und schwankende Stromflüsse einstellen.

Hinzu kommt, dass viele Lebensbereiche, die bisher selbst Energie aus fossilen Energieträgern bezogen, künftig ebenfalls Strom benötigen werden: etwa, weil wir in Zukunft mit E-Autos fahren und mit Wärmepumpen heizen. Beide Netzebenen müssen also fit für deutlich größere Strommengen werden – und dazu müssen die Betreiber sie weiter ausbauen. Beim Übertragungsnetzausbau geht es oft um große Vorhaben, die quer durch das ganze Land führen: etwa den SuedLink, der auf knapp 700 Kilometern von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg bzw. Bayern verläuft. Der Verteilnetzausbau umfasst dagegen eher lokale und regionale Projekte.

 

Der Netzausbau sichert die Stromversorgung

In Zeiten der Energiekrise sorgen sich viele Menschen darum, ob die Stromversorgung auch in Zukunft sicher ist. Wird der Strom auch zuverlässig fließen, wenn er fast vollständig aus erneuerbaren Quellen stammt? Berechnungen der Bundesnetzagentur zeigen, dass die Stromnachfrage auch beim geplanten Umstieg auf Erneuerbare bis Anfang des kommenden Jahrzehnts jederzeit gedeckt ist. Das gilt allerdings nur, wenn die Betreiber die Netze wie geplant ausbauen können, sodass der zusätzlich produzierte grüne Strom auch bei den VerbraucherInnen ankommt. Der Stromnetzausbau ist also ein entscheidender Faktor für die Versorgungssicherheit.

Mehr als 80 Prozent der Deutschen, also die überwiegende Mehrheit der Menschen, befürwortet den Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber: Wenn dazu Stromleitungen in ihrer Nähe entstehen sollen, schwindet die Akzeptanz. Nur 18 Prozent würden Überlandstromleitungen in der Nähe ihres Wohnorts akzeptieren. „Not in my backyard“ (wörtlich: „nicht in meinem Hinterhof“) – so beschreibt die Wissenschaft das Gefälle zwischen Wunsch und Wirklichkeit bzw. das Phänomen, dass Menschen die Energiewende zwar prinzipiell befürworten, sich im konkreten Fall aber am Blick auf eine neue Stromleitung stören oder befürchten, dass ihr Grundstück an Wert verliert.

Was tun? Laut den ExpertInnen vom Bürgerdialog Stromnetz nach hilft vor allem eins: Aufklärung. Denn Energiewende-Projekte sind überall dort gut akzeptiert, wo die Menschen sich schon länger mit ihnen auseinandergesetzt haben – etwa in Schleswig-Holstein oder Teilen Niedersachsens, also Regionen, in denen die Windkraft schon seit Langem etabliert ist. Die Menschen dort wissen um die – auch wirtschaftlichen – Vorteile regenerativer Energien. Besonders käme es darauf an, das notwendige Wissen neutral zu vermitteln, erklärt Alena Richter, Regionale Ansprechpartnerin des Bürgerdialog Stromnetz für Hessen. Sie ergänzt: „Um Akzeptanz zu schaffen, müssen die Bedenken der BürgerInnen und Bürger in erster Linie verstanden und ernstgenommen werden. Deshalb ist es wichtig, die Bedürfnisse und Besonderheiten der jeweiligen Region zu kennen und vor Ort bürgernah über relevante Themen zu informieren.“

Das zeigt: Wenn die Menschen die Zusammenhänge von Klimaschutz, Energiewende und Netzausbau verstehen, sind sie auch bereit, ihren Beitrag zur großen gesellschaftlichen Aufgabe zu leisten, unser Energiesystem klimafreundlich umzubauen.

 

Gastautorin: Alena Richter, Regionale AnsprechpartnerIn des Bürgerdialog Stromnetz für Hessen

 


Hinweis: Wir übernehmen keinerlei Haftung für die Inhalte und Aussagen auf externen Seiten. Bei Beanstandungen wenden Sie sich bitte an den Urheber der jeweiligen Seite. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Digitalization

Digitalisierte Netze: Mit Compliance gelingt die Energiewende

Erneuerbare Energien sind die Zukunft. Die Verfügbarkeit schwankt allerdings noch oft. Digitale Systeme sind eine zentrale Grundlage der effizienten Nutzung.

Sustainability

Grüner Wasserstoff: Zertifizierung klimafreundlicher Energie

Grüner Wasserstoff wird zu einem Schlüssel der Energiewende. Doch die regenerative Erzeugung von Strom und Wärme sollte nachweisbar sein.